Kann Kunst die Welt verändern?
Ja, sie tut es immer und überall. Sie wird gesehen und genossen, selten verstanden und vorbehaltlos geliebt, oft geschmäht und verrissen; sie triumphiert und scheitert, und immer tut sie eins: Sie regt zum Nachdenken an, fordert heraus, was verdeckt war, fördert Meinungen, Ansichten und Auffassungen zutage, fördert Einsichten als Ergebnis geistiger Prozesse. Als Katalysator beschleunigt sie Entwicklungen, persönliche wie öffentliche, und verändert Mensch und Welt in permanenter Bewegung.
Und sie muss gemacht werden. Spätestens seit Beuys, der Ende der 1970er Jahre mit den Worten „Jeder Mensch ein Künstler“ ein kreatives Mitgestalten an der Gesellschaft und in der Politik forderte, ist das künstlerisches Mitspracherecht eines jeden nicht nur legitimiert, sondern eine verantwortungsvolle Pflicht, offen für alle und doch von wenigen so konsequent genutzt und umgesetzt wie von Dirk Jakobs.
Dirk Jakobs weiß um die Kraft der Kreativität, aus Erfahrung, von Berufs wegen. Seine technischen Kompetenzen und vor allem sein künstlerisches Gespür konnte er in seiner Ausbildung als Mediendesigner entfalten und vervollkommnen. Während seine Altersgenossen in den Kunstakademien Pinsel und Spachtel, Leinwand und Nessel zu unterscheiden lernten, die Grundlagen der Kunstgeschichte studierten und die ersten Versuche in Öl, in Acryl oder mit Pastellkreide wagten, gestaltete Dirk Jakobs erfolgreich Anzeigen, war als Mediendesigner verantwortlich für die kreativen Projekte eines Britischen Medienunternehmens. Als die Kunststudenten sich Gedanken über die Finanzierung der nächsten Miete machen musste, war er kultureller Vertreter bei der Walt Disney Company in Orlando, USA.
Die angehenden Künstler legten ihre Prüfung ab und machten ihre ersten Schritte in eine ungewisse Zukunft und Dirk Jakobs übernahm bei einer Druckerei in Düsseldorf Verantwortung, betreute und beriet Geschäfts- und Privatkunden und konzipierte die Gestaltung diverse Medien. Seine Erfahrungen gibt er seit einigen Jahren in Schulungskonferenzen weiter, leitet andere in der Verbesserung von Kreativprozessen an. Für eine global agierende Unternehmensberatung gestaltet er als Lead Designer Multimedia-Anwendungen, entwirft Webseiten, CD-ROMs und Print-Projekte.
Dirk Jakobs hat viel gesehen, bekam Einblick in die Arbeitswelt großer Unternehmen, in Strukturen, kreative Freiheiten und Begrenzungen im Arbeitsalltag; ein Kompromiss, zu dem ein künstlerischer Geist nicht auf Dauer fähig ist. Die absolute Freiheit findet dieser nur in der Kunst, der freien Kunst. Das Bedürfnis, ja die Notwendigkeit, die erhaltenen Eindrücke und Empfindungen zu reflektieren, ließen Dirk Jakobs vor einigen Jahren folgerichtig den Schritt in die abstrakte Kunst wagen. Eine Grenzüberschreitung, ein Abenteuer, die Neugier geweckt und die Lust am Entdecken nun von allen Zwängen befreit. Selbstbewußt steuerte er eine neue Karriere an, die aus dem lange unterirdisch fließenden Strom seiner künstlerischen Ambitionen gespeist wird, eine nicht versiegende Quelle an Ideen und Visionen, die sprudelt und fließt. Ausgerüstet mit dem Handwerkszeug aus seinem Beruf, vielen Jahren Erfahrung und Interesse an Kunst, kompositorischen Geschick, Wissen um Farben und Formen, Menschenkenntnis und Neugier, folgte er seiner Berufung und begann offiziell zu malen.
Beruf und Berufung: Kein Doppelleben, sondern zwei vereinbare Aspekte eines erfüllten Lebens, in dem sich beide bedingen und ein Gleichgewicht schaffen, das für Künstler und Publikum gleichermaßen fruchtbar ist.
Was aber ist wahre Kunst, ein wahrhaftiger Künstler? Als Dirk Jakobs 2005 die Webseite für Greta Garbo (www.greta-garbo.de), eine Hommage an ihre Schönheit und Grazie, konzipierte, wurde er auf den Künstler und Garbo-Biografen Ture Sjolander aufmerksam. Als gebürtiger Schwede wählte dieser Australien als Heimat, arbeitet mit zahllosen Ausdrucksformen: Malerei, Fotografie, Textilem, Bildhauerei, Video-Installationen, er schreibt Bücher und Artikel, veranstaltet Happenings. Besonders computergestützte Animationen und digitale Kompositionen veröffentlichte er lange bevor der Boom des Computers die Massen erreichte. Grenzen, nationale wie geistige, gibt es in der Kunst nicht. So konnten tausende von Kilometern auch die Wahlverwandtschaft dieser beiden Künstler nicht behindern. Sjolanders grenzenlose Kreativität, seine pointierten Kommentare zu Politik und Kunst, sein provokantes, aber immer unbeirrtes Auftreten: Ein charismatischer Pionier und eine Inspiration für Dirk Jakobs, der sich diesen außergewöhnlichen Menschen als Mentor wählte, der ihn durch seine Schaffenskraft bestätigte: Kunst ist Veränderung, der wahre Künstler entwickelt sich stetig und in Selbstreflektion immer weiter, prüft sich und seine Umwelt und reagiert entsprechend, immer auf neue Weise. Kunst ist nicht das Bedienen einer Nachfrage, einer Mode, eines Trends, obwohl gerade die zeitgenössische Kunst diesem Irrtum zu unterliegen scheint.
Als wahren Künstler berühren Dirk Jakobs diese zeitgebundenen Beschränkungen nicht. Er verlässt sich auf seine Intuition, geht dem nach, was ihn bewegt, fordert und freut, lässt sich aber auch auf bedrückende Empfindungen ein. Die Beschäftigung mit der eigenen Innenwelt, die Analyse und die Arbeit im Untertagebau des Un- und Unterbewussten gehören zu seinem künstlerischen Werk, sie sind ein integraler Bestandteil seiner künstlerischen Arbeit. Die Suche nach der eigenen Identität, den eigenen Ambitionen, Motivationen und Hemmnissen: Ein Prozess, eine schwierige und zugleich befreiende Metamorphose, die sich in seinem Werk mitteilt und zur Nachahmung einlädt.
Außen- und Innenwelt, zwei Seiten, Hälften, Flügel, die einander brauchen, bedingen und in stetiger Osmose sich wechselseitig beeinflussen: Eine Thematik, die sich wie ein roter Faden durch Leben und Schaffen von Dirk Jakobs zieht und in der Serie IMAGO 2007 ihren wunderbaren Ausdruck fand. Diese Bilder fächern ein mehrschichtiges Referenzsystem auf: Imago, lateinisch für Bild, bezeichnet das Insekt nach der letzten Häutung, das Bild der ersten Bezugsperson eines Menschen und nicht zuletzt ist Imago der Titel einer Zeitschrift für die Anwendung der Psychoanalyse auf die Kulturwissenschaften. Ein komplexer, schwer darstellbarer Gegenstand. Nicht für Dirk Jakobs: Er fand in der Spiegelung die optimale Möglichkeit der Visualisierung zweier Komponenten, ihres Gleichgewichts. Durch die Reflektion wird aus zwei Hälften ein Ganzes. Als künstlerisches Mittel und adäquate Ausdrucksform dieser seiner Thematik wählte Dirk Jakobs für viele Bilder bewusst die Technik der Dekalkomanie, des Abklatschverfahrens.
Ein Bildträger wird mit Farbe bestrichen, bekleckst, und auf einen anderen Bildträger gepresst. Beim Abziehen bleiben zwei Bildträger mit identischer Farbmaserung zurück. Es bilden sich, je nach Konsistenz und Viskosität der Farbe, charakteristische Grate und Adern, ein Nervengeflecht mit eigenem System. Eine Einladung an den Zufall, sich in die Bildgestaltung kreativ einzumischen und Künstler und Betrachter immer wieder zu überraschen. Auch das gestische Tropfen der Farbe auf die Leinwand bezieht den Zufall mit ein.
Die für IMAGO 2007 angewendete Technik der Dekalkomanie verliert mit einer neuen Vision, Idee, nicht ihre Gültigkeit, sind doch die künstlerischen Mittel immer entsprechend der Thematik ausgewählt, Formales und Inhaltliches sind immer kongruent. Auch hier gibt es keine Grenzen, sondern Entwicklungen, Entfaltungen, Veränderungsprozesse. Dirk Jakobs Bilder sind abstrakt, genau wie die Begriffe, die sie in kräftigen Farben sichtbar machen, verbildlichen:
Optimism als sandfarbene Tropfen, verbunden durch leichte Pinselstriche, auf orangefarbenen Grund im schlanken Hochformat.
Opportunity als kräftiger weißer Fleck mit gratiger Oberfläche, verschneites Gebirge in Miniatur auf rosa und roten Grund.
Communination als fließendes Ineinanderspiel von Silber und Blau.
Wissend um die Bedeutung und die Kraft der Farben, die sich dem Betrachter ohne Umweg unmittelbar erschließen und Stimmungen hervorrufen und zu beeinflussen imstande sind, verwendet Dirk Jakobs überwiegend kräftige Primärfarben.
Der bewusste Verzicht auf schwarz als schwermütige ,Farbe‘ aber blendet ernste Empfindungen keineswegs aus. Der Künstler hat einen Weg gefunden, auch negative Gefühle und Begriffe zu lichten Bildern zu sublimieren. Pressure: Federleichtes zerfasertes Weiß auf blauem Grund, ein blutrot klaffender Fleck wie eine Wunde auf der transparenten Wolke. Locked Potential: Blutrote Lache auf sandigem Grund; eine goldene Flügelmutter, ins Bild platziert, betont sinnbildlich die Versiegelung der im Titel angedeuteten geknebelten Kraft. Diese Bilder rühren an. Sie berühren empfindsame Bereiche der menschlichen Seele, sprechen bekannte Empfindungen an, lassen Spielraum für die eigene Phantasie. Der Betrachter wird in der Versenkung in Dirk Jakobs’ Bildern behutsam zu innerer Erbauung geleitet.
Dirk Jakobs Mut und Anstrengung, die Dinge immer zu einem positiven Ausgang zu führen, auf die Kraft geistiger Transformation unerschütterlich zu bauen und keine destruktiven Ansätze zu fördern: Ein wunderbarer und verantwortungsvoller Umgang mit der Kunst, sich selbst und seinem Publikum.